C. A. Fletcher: Ein Junge, sein Hund und das Ende der Welt

Die Menschheit ist nahezu ausgestorben, nachdem vor einem guten Jahrhundert die meisten Menschen aus ungeklärtem Grund unfruchtbar geworden sind. Nur einer von einer Million konnte noch Kinder bekommen. Die Kinderlosen wurden alt und starben und die Welt leerte sich. Die wenigen Menschen, die es noch gibt, leben in weit zerstreuten Familiengruppen.

Griz bewohnt mit Vater und Mutter, Bruder und Schwester und den beiden Hunden Jip und Jess die Hebrideninsel Mingulay. Sie ernähren sich von dem, was sie anbauen, fischen und jagen. Das Leben ist hart, doch sie kennen nichts anderes und sind zufrieden. Ihr bescheidenes Glück wird durch den Unfalltod von Griz‘ Schwester und die Krankheit der Mutter getrübt. Manchmal fahren sie zu anderen Inseln, um aus verlassenen, verfallenden Häusern mitzunehmen, was noch zu gebrauchen ist. Es gibt keinen Strom, Kerzen sind kostbar, ebenso wie alles, was sie nicht selbst herstellen können. Besonders kostbar für Griz sind Bücher. Der Vater ist der Meinung, dass Bücher vor allem nützlich sein müssen, aber Griz liebt Geschichten und schöpft daraus alles Wissen über die Welt, wie sie einmal war.

Eines Tages kommt Brand auf die Insel, ein Händler auf einem Boot mit roten Segeln. Als er abreist, hat er verschiedene ergaunerte Dinge an Bord. Das Schlimmste aber ist, dass er Jess gestohlen hat, Griz‘ Terrierhündin. Ohne nachzudenken, nimmt Griz mit dem zweiten Hund Jip auf der Sweethope die Verfolgung auf, um sich Jess zurückzuholen – der Beginn einer Reise mit äußerst ungewissem Ende. Denn Griz hat noch nie das Festland betreten.

Griz erzählt die Geschichte dieser Reise rückblickend einem erfundenen Freund, und so entdecke ich die versunkene Welt unserer Tage durch Augen und Ohren eines Teenagers, der weder Städte noch Wälder, weder Feindschaft noch Freundschaft aus eigenem Erleben kennt. Die Natur holt sich den Raum zurück, den wir ihr genommen haben, Bäume sprießen aus eingestürzten Dächern und gerissenem Asphalt, Brückenskelette verbinden nichts mehr außer Grün mit Grün, die Landschaft ist von Tieren bevölkert. Begegnungen mit anderen Menschen – mit wenigen lebenden und mit den Überresten einiger vor langer Zeit gestorbener – bleiben nicht aus. Griz gleicht die eigenen Erfahrungen mit den Geschichten aus den Büchern ab, was nur bedingt hilfreich ist. Vor allem, als Brand mit einem Mal wieder auftaucht.

Der Autor bittet im Vorwort darum, Griz‘ Entdeckungen nicht zu verraten. Wer will, kann die Route sicherlich anhand der Beschreibungen auf einer Landkarte nachverfolgen.

Nach dem unbedachten Aufbruch verläuft die Reise zunächst eher ruhig bis zur überraschenden Wende kurz vor Schluss. Die kritischen Gedanken zu unserer heutigen Gesellschaft kommen mir bisweilen etwas zu gewollt daher, aber Beschreibungen wie die, als Griz zum allerersten Mal sonnengereifte Pfirsiche probiert, machen dies mehr als wett. Und die Hunde! Man muss Hunde einfach lieben, wenn man dieses Buch gelesen hat.

C. A. Fletcher: Ein Junge, sein Hund und das Ende der Welt.
Penhaligon, April 2020.
480 Seiten, Taschenbuch, 15,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Ines Niederschuh.

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