Brian Sewell: Pawlowa: oder Wie man eine Eselin um die halbe Welt schmuggelt

Das ist sicher eines der bezauberndsten Bücher, die ich 2019 gelesen habe.

Brian Sewell (1931 – 2015) war ein umstrittener Kunstkritiker und Kolumnist in Großbritannien. Der 2015 entstandene Roman Pawlowa ist sein einziges fiktives Werk neben mehreren Kunst- und Reisebüchern.

Mr. B., ein drahtiger kleiner Mann von fünfzig Jahren mit weißem Haar, …“ (Seite 9) ist zu Filmaufnahmen in Pakistan, als er sieht, wie eine kleine, noch ganz junge Eselin viel zu schwere Lasten tragen muss. Er rettet das erst wenige Monate alte Tier und beschließt, entgegen allen Ratschlägen, sie mit nach Hause nach England zu nehmen. Ihm ist klar, dass er sie nicht im Flugzeug transportieren kann, und so begibt er sich, relativ unvorbereitet, zu Fuß auf den tausende Kilometer langen Heimweg.

Auf seiner ungewöhnlichen Reise durch Afghanistan, Iran, der Türkei, Griechenland und vielen anderen Ländern begegnet er netten und weniger netten Zeitgenossen, unaufmerksamen Zöllnern, resoluten Botschaftergattinnen, hilfsbereiten Teppichhändlern, hinterlistigen Schmugglern. Dabei ist Mr. B., seinen vollen Namen erfahren wir nicht, ein feinsinniger Mensch mit besonderem Interesse an Geschichte und an Kunstgegenständen. Pawlowa – der Name ist auf der ersten Silbe zu betonen, da er sie nach der berühmten russischen Balletttänzerin benannt hat – wird anhänglich wie ein Hund und für Mr. B. ist sie ein liebenswerter Reisegenosse. Er zeigt ihr die schönen Seiten der Städte und Regionen, die sie durchqueren, er erzählt ihr die Geschichte von Noah und der Arche und er sorgt liebevoll für ihre Wohlbefinden. Es gelingt Mr. B. immer wieder, Mitfahrgelegenheiten zu bekommen, so dass sie schließlich doch nicht, wie befürchtet, die ganze Strecke bis nach Hause zu Fuß zurücklegen müssen.

Die Schilderungen sowohl der Landschaften, durch die die beiden Reisenden kommen wie auch der skurrilen und interessanten Menschen, denen sie begegnen, sind von leisem Humor, viel Empathie und ausgeprägtem Beobachtungsvermögen geprägt. Die Lektüre dieses kleinen schmalen Buches ist ein herrliches Vergnügen, ja man möchte schließlich am liebsten auch eine kleine zarte Eselin an seiner Seite haben. Die kleinen Illustrationen ergänzen die Geschichte wunderbar.

Die Geschichte von Pawlowa und Mr. B. wird mir sicher in Erinnerung bleiben. Eine Geschichte über Freundschaft, Menschlichkeit und Toleranz.

Brian Sewell: Pawlowa: oder Wie man eine Eselin um die halbe Welt schmuggelt.
Insel Verlag, November 2019.
400 Seiten, Taschenbuch, 10,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Renate Müller.

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