Bernhard Schlink: Die Frau auf der Treppe

frauBernhard Schlink hat das Problem, dass man bei seinem Namen unweigerlich an den „Vorleser“ denkt, jenes grandiose und später verfilmte Werk aus dem Jahre 1995, das man heute schon fast als modernen Klassiker bezeichnen kann.

Man kann gar nicht anders, als alles, was der heute 71-Jährige danach geschrieben hat, mit diesem Werk zu vergleichen. Und diesen Vergleich verlieren eben all diese Bücher.

Das gilt leider auch für seinen neuesten Roman, „Die Frau auf der Treppe“. Alles wirkt ein wenig hölzern, etwas betulich, kopflastig und wenig lebensnah – so als habe der Autor am Reißbrett eine Geschichte entworfen und zu Papier gebracht, die aber mit der Realität nur sehr wenig zu tun hat. Man hat Schwierigkeiten, sich die Figuren vorzustellen, versteht nicht recht, wie sie handeln, und kann die große Liebe, die der Ich-Erzähler für die titelgebende Frau empfindet, nicht nachvollziehen.

Die Handlung bildet keine der üblichen Dreiecks-, sondern sogar eine Vierecks-Liebesgeschichte: Gleich drei Männer kämpfen um eine geheimnisvolle Frau. Die Dame ist mit einem reichen Mann verheiratet und lässt sich von einem Maler nackt auf einer Treppe malen. Der Rechtsanwalt und Ich-Erzähler, der den anschließenden Streit zwischen Ehemann und Maler um Frau und Bild schlichten soll, verliebt sich anhand des Bildes ebenfalls in diese Frau, und das vierfache Gefühls-Chaos ist perfekt.

Die Geschichte endet erst 40 Jahre später in einer abgelegenen Bucht, wo die Frau mittlerweile allein lebt und sich sozial engagiert.

Sicher, Bernhard Schlink hat sein schriftstellerisches Handwerkszeug natürlich nicht komplett verlernt. Er hat einen schnörkellosen, gradlinigen Stil, sodass sich auch dieser Roman angenehm und leicht lesen lässt. Und doch bleibt eine gewisse Unzufriedenheit zurück – vor allem, wenn man den „Vorleser“ kennt.

Bernhard Schlink: Die Frau auf der Treppe.
Diogenes, August 2014.
256 Seiten, Gebundene Ausgabe, 21,90 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Andreas Schröter.

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