Bernhard Hennen: Schattenelfen – Die Blutkönigin

Was bringt mir der neue Bestseller des deutschen Fantasyautors Bernhard Hennen? Ich gestehe, dass ich anfangs so wenig angetan war, dass ich überlegte, das Buch aus der Hand zu legen. Doch mein Durchhalten hat sich gelohnt: Romantisches wie auch Gewalt und Brutalität machen diese Fantasy zum Thriller. Von amerikanischen Autorinnen und Autoren bin ich eine solche Mischung auf dem hohen Niveau der „Schattenelfen“ nicht gewohnt.

Elfen sind niedliche geflügelte Geschöpfe, die über Blüten schweben und magischen Staub streuen, um die Natur in Regenbogenfarben erstrahlen zu lassen? Mitnichten! Langollion ist eine Idylle der Freiheit und des Wohlstands im Reich Albenmark und daher das Ziel aller ‚Albenkinder‘, Zentauren, Kobolde, Trolle und anderer Bewohner. Alles wird jedoch nur aufrecht erhalten durch die Intrigen der jahrhundertealten Elfenfürstin Alathaia und ihrer Kinder, die für sie spionieren und meucheln. Ihre Gegnerin ist die Elfenönigin Emerelle, die die übrigen Länder mit eiserner Hand regiert, und beide sind Meisterinnen in Verrat und Hinterlist. Doch in diesem Schachspiel um die Vorherrschaft in der Albenmark und mit reichlich vielen Bauernopfern verfolgt noch ein anderes Wesen seine perfiden Pläne. Und so werden die Elfen Laurelin und Adelayne zum Spielball der Mächtigen, bestimmen aber letztendlich auch das Schicksal des ganzen Landes.

Hennen überzeugt durch einen lebendigen, handlungsgetriebenen Schreibstil. Dialoge, Gedanken und Handlung wechseln einander ausgewogen ab. Seine abwechslungsreiche Sprache harmoniert mit dem Setting, passt sich ständig der jeweiligen Umgebung an und gibt die hervorstechenden Charakterzüge der gerade im Mittelpunkt stehenden Figur treffend wieder. Thrillermäßig geschrieben, lässt der Roman den Leser nach einer dramatischen, jedoch wegen des Wechsels zwischen Elfen, Trolle und Tieren chaotisch wirkenden Eingangssequenz nicht Atem holen. Gefühlte hundert kurze Kapitel aus der jeweiligen Sicht der zahlreichen, aber nicht nur der wesentlichen Figuren offenbaren dem Leser aus ebenso vielen Blickwinkeln das Leben bei Hofe oder in der Wildnis. Nach einem Zehntel des Romans führt der Autor die Handlungsstränge so weit zusammen, dass die Geschichte dahinter verständlich wird. Dennoch spart er wichtige Details auf, um sie später häppchenweise preiszugeben. Orte und Handlungen präsentieren sich so plastisch, dass man sich hineinversetzt glaubt. Die interessant gestalteten Figuren sind dreidimensional, der Leser sieht sie vor sich, fühlt, hofft und bangt mit ihnen. Was verwundert, ist, dass Hennen zahlreiche Figuren, die ganze Handlungsstränge beherrschen und denen er oft genug mehrere Kapitel widmet, sterben lässt, nachdem der Leser lange mit ihnen gelebt hat. So erhalten die Intrigen eine weitere Betonung.

Durchhalten ist angesagt! Die ersten 80 der beinahe 800 Seiten füllt Hennen mit der Vorstellung einiger Figuren und der Albenmark. Obwohl hier schon reichlich Handlung einfließt, erschließen sich dem Leser die Handlungsstränge erst danach, wenn sie sich einander annähern. Dann geht es rasant vorwärts. Jedes Kapitel eröffnet einen neuen Blickwinkel und fesselt. Als Leser fiebert man nicht nur dem Fortschreiten der Handlung entgegen, sondern fragt sich auch, wann man endlich die Figuren wiedertrifft, die einen ein paar Kapitel vorher fasziniert haben. Hennen präsentiert einen hervorragend geschriebenen Thriller im Gewand bester, packender epischer Fantasy!

Bernhard Hennen: Schattenelfen – Die Blutkönigin.
Heyne, Juni 2021.
784 Seiten, Taschenbuch, 18,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Michael Kothe.

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