Bergsveinn Birgisson: Die Landschaft hat immer Recht

Das Wetter hat Landschaft und Menschen vom Geirmundarfjördur,  einem scheinbar am Ende der Welt liegenden Fjord in Island, geprägt. Täglich sind die Fischer den Naturgewalten, die bestimmen, wann sie zum Fischen hinausfahren können, ausgesetzt. An Tagen, in denen die Wetterhölle um sie herum so stark tobt, dass sie zu Hause bleiben müssen, fällt zudem häufig noch der Strom aus. Touristen allerdings, die an schönen Tagen dort kurz verweilen um gleich darauf wieder weiterzufahren, bezeichnen den Ort als Paradies.

Aus den Tagebucheinträgen des jungen Fischers Halldór, die von einem weiteren Erzähler ergänzt sind, erschließt sich den LeserInnen die Welt der Menschen am Fjord. Halldórs Aufzeichnungen lesen sich fesselnd wirklichkeitsnah und ziehen mitten hinein ins Geschehen. Jeder Eintrag beginnt mit dem vorherrschenden morgendlichen Wetter und Angaben darüber, wieviel Fisch von welcher Sorte den Tag über gefangen wurde.

Das Leben der Fischer ist mehr als bescheiden. Angetrockneten Fisch mit Seehundspeck zu essen ist nichts Ungewöhnliches. Der  Umgangston der Männer klingt oft schlicht und derb, durchaus aber auch humorig. Frauen sind dünn gesät in der Gegend. Halldór wohnt im Fischerwohnheim mit seinem Onkel Gusi, Kalli und den ungleichen Brüdern Ebbi und Bensi, die nie einer Meinung sind, jedoch auch nicht ohne einander leben können. Frauen gegenüber ist Halldór sehr schüchtern und weiß oft nicht, wie er sich verhalten soll. Gusi stellt Vergleiche von Frauen mit Fischen an und gibt entsprechend skurrile Ratschläge. So kommt es, dass Halldór sich, nachdem er sich nacheinander in die jeweilige Haushälterin im Fischerwohnheim verliebt, aus Unerfahrenheit und Unwissenheit ziemlich missverständlich verhält.

Im zweiten Tagebuch offenbart sich in Halldórs freudlos geprägter Vorgeschichte, wodurch er so geworden ist.

Wenn Halldór einen Rat braucht, besucht er den gelähmten Jónmondur, der gern philosophiert und aus dessen Mund auch der Buchtitel „die Landschaft hat immer recht“ übernommen ist. Jónmondur kann aber auch ganz schön abstruse Geschichten wie die vom Unterwasserkampf mit einem Seehund zum Besten geben.

Obwohl die von Wind und Wetter durchpeitschten Episoden von Seehasenfang, Kegelrobbenheulern, die sich in den Netzen verfangen haben oder von den Häuten toter Seehunde nicht gerade feinfühlige Schilderungen zulassen, stößt man immer wieder auf poetische Zeilen: Wenn die Sonne im Mittag steht, verwandelt sich der Sonnenschein in Margarine, die glänzend die Hänge herunterfließt (S.10) oder: So zart, dass es nichts Vergleichbares gibt, außer das Weiße in den Flügeln einer davonfliegenden Gryllteiste (S.175).

Egal welche der vielen unterschiedlichen Abhandlungen man liest – ob über Fischfang, die intensiven Träume Halldórs, die Episoden mit den Haushälterinnen… – man folgt den eindringlichen Schilderungen gern bis zum Ende.

Bergsveinn Birgisson: Die Landschaft hat immer recht.
Residenz, Januar 2018.
264 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.

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