Ben Aaronovitch: Der Oktobermann: Kurzroman

England, genauer gesagt London wird seit einigen Jahren von Magie heimgesucht. Gut, dass die Abteilung für ungewöhnliche Verbrechen, kurz Folly genannt und dessen Zauberlehrling Peter Grant immer aufmerksam Gewehr bei Fuß stehen, die Verbrecher und jagen und dingfest zu machen.

Doch auch auf dem Kontinent gibt es Magie, gibt es Verbrecher und mysteriöse Vorkommnisse. Das, was auf der Insel das Folly ist, das ist in Deutschland das KDA – die Abteilung für komplexe und diffuse Angelegenheiten des BKA. Und auch ein Pendant zu Peter Grant gibt es – einen Zauberlehrling, der die Laufarbeit und ein wenig mehr machen darf – gestatten, dass ich mich vorstelle, Tobi Winter der Name, Magielehrling, Polizist und einziger Außendienstermittler des KDA.

Mein neuester Fall führt mich an die Mosel – genauer gesagt, in das malerische Städtchen Trier. Hier laufen mir, neben einer bezaubernden und wissbegierigen Kollegin des örtlichen Morddezernats, mehrere Flussgöttinnen – auch eine recht junge – über den Weg, und Rätsel um mysteriöse Tode gibt’s leider auch. Magie, das stelle ich schnell fest, ist gewirkt worden, doch von wem und weshalb? Die Spur führt weit, weit in die Vergangenheit, was meinen Aufenthalt an der Mosel aber nicht etwas stressfreier oder ungefährlich macht.

Weltweit erfreut sich die Peter Grant Reihe des in London lebenden Autors größten Zuspruchs. Aaronovitch wird gefeiert, seine Fangemeinde wartet ungeduldig auf weitere Grant Abenteuer. Schon einmal hat er eine Novelle vorgelegt, in der er seinem britischen Handlungsort allerdings treu geblieben ist. Nach „Geister auf der Metropolitan Line“ legte er dieses Jahr eine zweite Novelle vor, die sich zwar der Grundidee der Magie in unserer Zeit und des Kosmos´ der Serie bedient, aber erstmals ganz ohne die bekannten Figuren und Handlungsorte auskommt.

Was Ben Aaronovitch letztes Jahr bewogen hat, an der Mosel, genauer gesagt in Trier auf Recherche zu gehen ist mir unbekannt. Merkantil wäre es sicherlich sinnvoller gewesen, einen Ableger der Grant´schen Abenteuer in den USA anzusiedeln, als in good ol´ Germany.

Seinen wir froh, dass es Aaronovitch offensichtlich der Moselwein und die reichhaltige Geschichte der Region angetan hat. Bestens recherchiert – was werden die Amis bloß vom BKA, der teutonischen Rechtsmedizin mit ihrem Wochenende und den hochfahrbaren Schreibtischen denken? – bleibt der Autor sich inhaltlich treu. Es kommen alte wie junge Flussgöttinen vor, renegate, illegal Praktizierende und ein etwas überforderter, letztlich aber doch bauernschlaue magische Ermittler.

Ein Aufeinandertreffen der Beiden – Winter & Grant, die Nachtigall und die Eiskönigin – böte enormes Potential, doch vorerst müssen wir uns mit vorliegender Novelle begnügen. Als Deutscher liest man die Novelle natürlich mit etwas anderen Augen, als unsere Europäischen Nachbarn. Die Story per se läuft durchaus stringent und interessant ab, die Auflösung bleibt in sich glaubwürdig, die Figuren wirken lebendig und vielschichtig, so dass sich das dünne Büchlein wie von selbst durchliest.

Ben Aaronovitch: Der Oktobermann: Kurzroman.
dtv, September 2019.
208 Seiten, Taschenbuch, 8,95 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.

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3 Kommentare zu “Ben Aaronovitch: Der Oktobermann: Kurzroman

  1. Lieber Karsten,
    natürlich kenne ich London nur von Reisen und schon allein die Erwähnung der besuchten Orte in Ben Aaronovitchs Romanen rufen bei mir wohlige Erinnerungsschauer hervor. Also ist es vielleicht genau diese Distanz, die einen Teil zum wunderbaren Flair in seiner „Flüsse“-Reihe beigetragen hat.
    Nun kommen die magischen Ermittlungen bei „Der Oktobermann“ nach Deutschland an die sagenumwobene Mosel und dank detaillierteren Ortskenntnissen fällt mir sofort auf, dass es „Ehrang“ als Weinort gar nicht gibt.

    Ich hätte mir so viele verträumte Moselstädchen und Winkelchen vorstellen können, die Ben Aaronovitch hätte aufgreifen und magisch verzaubern können – aber nein, der Engländer bleibt fiktiv und entschuldigt sich im Nachwort lapidar mit dichterischer Freiheit. Schade. Auch sonst haben mir einige örtlichen Details gefehlt oder waren für mich fragwürdig. Auf dem Trierer Marktplatz gibt es m.W. ein Karusell, keine Miniachterbahn, und unterhalb der Mariensäule kann man kaum graben, ohne riesiges Aufsehen zu erregen … Ein Lokalkrimi mit fantastischer Einfärbung ist für mich damit nicht wirklich gelungen und der atmosphärische Reiz deutlich reduziert.
    Natürlich habe ich mich als deutscher Weinfan über diesen kleinen Spin-off sehr gefreut, aber ein Hochgenuss wie die mit Edelfäule (eine der „Tatwaffen“!) gereifte Trockenbeerenauslese von der Mosel war es leider nicht.

    Viele Grüße von

    David

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