Barbara Vinken: Die Blumen der Mode

Ob man sie liebt oder hasst: Mode ist allgegenwärtig. Sie ist Repräsentation, Maskerade, Fetisch, Statement, Spiel. In diesem wundervollen Buch zeigen die Essays und philosophischen Betrachtungen kluger Köpfe wie Heinrich Heine, Emile Zola und Simone de Beauvoir, dass Kleidung alles andere als oberflächlich ist. Nichts spiegelt den Zeitgeist und die gesellschaftliche Ordnung so unmittelbar wie unsere „zweite Haut“.

Warum wird etwas zur Mode? Wie schaffte es der militärische Camouflage-Look auf den Laufsteg? Wann wurde der meterosexuelle Mann geboren? Wo hört der Schuh auf, wo fängt der Fetisch an?

Diese und weitere Fragen haben Dichter und Denker in scharfsinnigen Stilblüten ausgearbeitet. Von 1714 bis 2016 lustwandeln die Literaten durch die verschiedensten Kleiderepochen. Jedem Trend geht eine Geschichte voraus wie etwa die Französische Revolution: Sie läutete einen beispiellosen Modewandel ein und ebnete den Weg für den Herrenanzug, laut Nietzsche das Gewand des modernen Geistesmenschen. Da Mode überwiegend weiblich konnotiert ist, spiegelt sie vor allem die geschichtliche Stellung der Frau – vom Korsett bis zu Mary Quants Minirock.

Fashion, Politik und Psychologie sind in diesem Buch eng miteinander verbunden, dies verdeutlichen Beispiele wie Königin Luise von Preußen und Fußballer David Beckham. Modeliebhaber und Modekritiker kommen gleichfalls zu Wort. Sigmund Freud sieht den Ursprung des Modefetischismus‘ im „Kastrationsschock“ oder vielmehr in der phalluslosen Frau. Da hilft auch kein Man Bun!

Ihr ständiges Wechselspiel verleiht der Mode frischen Wind, wie ein Vergleich zwischen Chanel und Courrèges aufzeigt. Ein Spagat zwischen Klassik und Avantgarde, zwischen Werten und Wandel, Mainstream und Exzentrik. Mehr noch: Der Einzelne balanciert in seiner Selbstinszenierung auf einem schmalen Grat, der einerseits die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, andererseits die eigene Individualität betonen soll.

Die Auswahl der Texte durch die Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken ist ebenso lobenswert wie ihre treffenden Einleitungen zu Beginn jedes Textes. Dem Klett Cotta Verlag gebührt ebenfalls ein Lob für die ansprechende Aufmachung des Buches, welches das florale Titelthema gekonnt umsetzt und mit pinkfarbenen Seitenrändern zu einem gefälligen Highlight im Bücherregal macht.

Die Blumen der Mode sind nicht nur für Fashionistas und Trendsetter ein Genuss. Denn zwischen Phantasmagorien, Lookalikes, Anzug und Eros wird deutlich: Es macht genauso viel Freude über Mode nachzudenken, als sie anzuziehen.

Barbara Vinken: Die Blumen der Mode.
Klett-Cotta, November 2016.
552 Seiten, Gebundene Ausgabe, 49,95 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Diana Wieser.

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