Antoine Leiris: Meinen Hass bekommt ihr nicht

Meinen Hass bekommt ihr nicht von Antoine LeirisDer Autor und Radiojournalist Antoine Leiris hat im November 2015  bei den Terroranschlägen im Pariser Bataclan seine Frau Hélène verloren, mit der er zwölf Jahre verheiratet war.
Auf Facebook wandte er sich an die Männer, die seine Frau getötet haben und postete: „Freitag Abend habt Ihr das Leben eines außerordentlichen Wesens geraubt, das der Liebe meines Lebens, der Mutter meines Sohnes, aber meinen Hass bekommt ihr nicht.“

Immer wenn sein siebzehn Monate alter Sohn Melvil in der Kinderkrippe war, setzte Leiris sich an seinen Computer und schrieb auf, was ihn bewegte. Dabei herausgekommen ist eine ergreifende Schilderung über seinen Seelenzustand und das schreckliche Leid, das über ihn hereingebrochen ist. Unverhohlen beschreibt er, wie sehr seine Welt aus den Fugen geraten ist, wie er sich nach dieser grauenvollen Tat dem Alltag stellen musste, wie er lernen musste, mit seinem kleinen Sohn ohne die geliebte Frau und Mutter weiterzuleben.

Leiris Aufzeichnungen beginnen mit dem Abend des 13. November 2015. Er beschreibt, welchen Qualen er ausgesetzt war, als er von dem Anschlag erfuhr, wie er danach unermüdlich versucht hatte, Hélène auf dem Handy zu erreichen.

Wie geht ein Mann damit um, den Verlust seiner Frau zu verkraften, wie schafft er es, dem kleinen gemeinsamen Kind die Mutter zu ersetzen und dieses Kind zu trösten? Irgendwie muss er nach den Wörtern in seinem Kopf funktionieren – Nachhausekommen, Windel, Schlafanzug… Wie nimmt er die Welt um sich herum wahr? – Die Notfallpsychologen, die Nachbarn, die Mütter aus der Kinderkrippe, die sich rührend um ihn und Melville kümmern, die vielen Briefe, die ihn aus der ganzen Welt erreichen mit Einladungen, mit dem Angebot auf Melville aufzupassen, mit Schecks die er nie einlöst.

Leiris schreibt sich den Schmerz von der Seele, die sich dennoch nicht heilen lässt. Zu oft holen ihn die Momentaufnahmen der Geschehnisse in seinem Kopf wieder ein.

Dieses zweiwöchige von Antoine Leiris geführte Protokoll ist eine bewegende, erschütternde Offenlegung seiner Verzweiflung die über Nacht über ihn hereingebrochen ist. Gleichzeitig – und das zeigt die Stärke dieses Mannes auf, schlägt er den humanen Weg ein. Er stellt sich den Terroristen entgegen indem er ihnen trotz seines ganzen Elends öffentlich seinen Hass verweigert. Für diese äußerst kluge, edelmütige Gesinnung gebührt ihm größte Hochachtung.

Antoine Leiris: Meinen Hass bekommt ihr nicht.
Blanvalet, Mai 2016.
144 Seiten, Gebundene Ausgabe, 12,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.

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