Anne Rüffer: Fräulein Franzen besucht das Glück

frauWas anfangs wie ein Verbrechen anmutet, entwickelt sich zu einer recht ungewöhnlichen Geschichte mit teilweise skurrilen Ausprägungen. Bei einer 54-jährigen Protagonistin, die Wert darauf legt, mit „Fräulein“ tituliert zu werden, ist dies aber auch nicht verwunderlich.

Fräulein Eva-Maria Franzen arbeitet bei der regionalen Tageszeitung, wo sie für die Traueranzeigen verantwortlich ist, denen sie in Zusammenarbeit mit den Hinterbliebenen eine ganz spezielle Note verleiht.
An einem Samstagmorgen entdeckt eine Wohnungsnachbarin Eva Maria Franzen schwer verletzt am Boden in ihrer Wohnung liegend. Der alarmierte Notfallarzt zitiert seinen Freund, Kommissar Schröder an den Unglücksort, denn alles deutet darauf hin, dass Eva-Maria Franzen möglicherweise gewaltsam überwältigt wurde. Um Eva-Maria herum liegen unzählige Briefe mit anzüglichen Fotos unterschiedlicher Männer verstreut.
Kommissar Schröder realisiert schnell, dass das Opfer offensichtlich Kontakte zu all diesen Männern aufgebaut haben musste. So mutmaßt er, in Eva-Maria Franzen eine lang gesuchte Heiratsschwindlerin entlarvt zu haben.

Nach und nach macht uns die Autorin mit Eva-Marias Hobby und Wochenendbeschäftigung vertraut: Tatsächlich sucht Eva-Maria sich aus Kontaktanzeigen einsame Männer aus, mit denen sie einen höchst poetischen Briefaustausch pflegt. Die gesamte Korresponenz samt ihren eigenen kopierten Briefen legt sie akribisch in Ordnern von A-Z ab.
Samstags beobachtet sie dann in der Konditorei Selig von ihrem Nischenplatz aus die von ihr dorthin zitierten Männer. Doch damit enden die Verbindungen auch – Eva-Maria gibt sich niemals zu erkennen.
Dass Konditormeister Selig selbst ein Auge auf sie geworfen hat und sie jedesmal bereits sehnlichst erwartet, entgeht Eva-Maria dabei.

In eingeschobenen Rückblicken lesen wir von Eva-Marias Kindheit und Jugend, die sie in einem Heim unter der Obhut von Ordensschwestern verbracht hat. Ursprünglich sollte sie dort nur eine schwere Krankheit auskurieren, aber entgegen ihrem Versprechen wurde sie nie mehr von ihrer Mutter abgeholt. Für jeden Tag im Heim legt Eva-Maria ein Sandkorn in eine Dose und hat bis zu ihrer Entlassung 4380 Sandkörner gesammelt.

Kommissar Schröder beschäftigt sich mit dem Fall Franzen mehr als erforderlich, immer weiter zieht ihn die mysteriöse Eva Maria mit ihrer ungewöhnlichen Form der Korrespondenz in Bann. Wer von ihren vielen Männern kann ihr nach dem Leben getrachtet haben?
Letztlich bringt Schröder Licht ins Dunkel um die vielen Männergeschichten der Eva-Maria Franzen und löst dazu noch das Rätsel um ihre Mutter.

Eine Geschichte in einem Schreibstil der so eigenwillig ist, wie die etwas schrullig wirkende Protagonistin es vorgibt. Detailverliebt mit Larmoyanz und teilweise psychologisierend, arbeitet die Autorin Schicksale, Alltagsgeschehen und Eigenschaften ihrer Figuren heraus, wobei sie sich einer sich zuspitzenden Tragik bedient.
– Sympathische, leichte Frauenlektüre, die sich ebenso gut als Drehbuch für eine Vorabendserie eignen würde.

Anne Rüffer: Fräulein Franzen besucht das Glück.
LangenMüller, August 2014.
272 Seiten, Gebundene Ausgabe, 18,99 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.

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