Anna Seidl: Es wird keine Helden geben

annaDie 15-jährige Miriam ist wie jeder Teenager in ihrem Alter. Sie mag Klamotten, ihre besten Freundinnen und ihren festen Freund Tobi. Ihre Welt gerät allerdings an nur einem Morgen ins Wanken. Dem Morgen des Amok-Laufs. Sie wird Zeuge wie ein Mitschüler in der Schule zu schießen beginnt, wie ein Junge stirbt, weil sie nicht handelt, wie ihr Freund Tobi verblutet, weil sie untätig zusieht, wie sie selbst fast zum Opfer des Amok-Läufers wird. Und nichts ist mehr, wie es war. Miriam verkriecht sich in ihrer Trauer und kann keinen neuen Mut zum Leben finden. Dass auch ihre beste Freundin Joanne nicht mehr mit ihr sprechen möchte, bringt sie aus der Fassung.

„Es wird keine Helden geben“ ist thematisch faszinierend, von der Stimmung her allerdings sehr melancholisch. Miriam stellt schnell fest, dass es für die Tage nach einem Amok-Lauf kein Handbuch gibt. Wie verhält man sich gegenüber der eigenen Familie, gegenüber den Freunden – wie sollte man sich überhaupt verhalten? Sie ist ratlos und zieht sich zurück. Diese Grundstimmung beherrscht einen Großteil des Romans und lässt ihn sehr eintönig werden. Aber er ist auch genial! Bedenkt man, dass die Autorin gerade einmal Jahrgang 1995 ist und in der Lage war, ein so weitreichendes Werk zu schaffen, sieht man ihn aus einem ganz anderen Licht. Hier berichtet eine Jugendliche über Jugendliche und das stilistisch einwandfrei.

Es gelingt Anna Seidl, das Thema aus Miriams Perspektive zu beleuchten. Sie erlebt mehrere schwere Verluste und muss sich dann sogar damit auseinandersetzen, dass ihre Mutter wieder aufgetaucht ist. Fünf Jahre hatte die sich weder um Miriam noch deren Vater geschert. Und nun steht sie einfach so auf der Matte und Miriam soll sich ihr anvertrauen. Die Beziehung zur Mutter macht den Roman „rund“, sorgt dafür, dass sich ein stimmiges Bild ergibt.

„Es wird keine Helden geben“ wirft einen ehrlichen Blick auf Extremsituationen. Miriam stellt die Theorie auf, dass niemand zum Held wird, wenn sein eigenes Leben bedroht ist. Sie hilft dem hilflos am Boden liegenden Jungen nicht und sie rettet auch nicht Tobis Leben. Die Angst lässt sie an sich selbst denken und zwar nur an sich selbst. Helden gibt es nur im Film, im wahren Leben würde niemand so handeln.

Ein gelungener Roman, der zwar teilweise unter seiner Grundstimmung leidet, insgesamt betrachtet aber ziemlich gut geschrieben ist. Lesenswertes Debüt einer Autorin, die noch viel von sich hören lassen wird!

Anna Seidl: Es wird keine Helden geben.
Oetinger, Januar 2014.
251 Seiten, Gebundene Ausgabe, 14,95 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Janine Gimbel.

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