Andreas Brandhorst: Eklipse

Jahrzehntelang waren sie unterwegs – die Rede ist von dem Raumschiff Eklipse und deren Crew, die nur mit Hilfe des Kälteschlafs ihre Mission erfüllen kann. Und diese Mission hat es in sich – es geht um nichts weniger, als die überall in der Galaxis verteilten Hinterlassenschaften einer verschollenen Alien-Rasse.

Vor tausenden von Jahren beherrschten die Tahota das All, ihre wissenschaftlichen Errungenschaften weisen der Menschheit und anderen Rassen den Weg. Dass die Tahota beileibe keine friedliebenden Wohltäter waren beweisen ihre weiteren Hinterlassenschaften – die Spikes, wie man die biologischen Waffen nennt, haben schon ganze Zivilisationen ausgemerzt. Eine Berührung genügt, um das Opfer zu infizieren, dessen Geist dann übernommen wird.

Als sich die Eklipse der heimatlichen Erde nähert, kommt es zu einer Katastrophe – ein Spike ist an Bord und hinterlässt nicht nur getötete Besatzungsmitglieder, aufgebrochene Lagerräume und ein Loch in der Hülle des Raumschiffs, sondern auch einen Verräter innerhalb der Crew.

Als wäre dies nicht schon genug, antwortet die Erde auf die Funksprüche nicht. Das Spike nähert sich der Heimat der Menschheit, die kaum mehr wiederzuerkennen ist. Kontinente haben sich verschoben, die Zivilisation scheint untergegangen zu sein.

Während die Crew eigentlich mit der Suche nach dem Infiziertem unter ihnen und dem Aufhalten des Spike mehr als genug am Hals hätte, versuchen sie nun auch noch dem Rätsel um die vom „Bruch“ veränderte Erde auf die Spur zu kommen .

Zur gleichen Zeit lernen wir ein Mädchen, fast schon eine junge Frau kennen. Die fünfzehn-jährige Rebecca befindet sich auf der Flucht. Als Steinsprecher kann die die Bögen, durch und mittels denen ein verzögerungsfreies Reisen möglich wird, auslesen. Dass sie den Tod des Sohnes des mächtigsten Mannes der Erde verschuldet hat, erweist sich als Krux, ist Marcus doch seitdem auf ihrer Spur…

Andreas Brandhorst hat sich seit seinem Wechsel von Heyne zu Piper als Dauergast nicht nur auf den Bestsellerlisten, sondern auch bei der Vergabe der Genre-Preise etabliert. Vorliegend meidet er die großen Weiten des Weltalls und richtet seinen Fokus auf die Erde. Eine Erde allerdings, die nicht nur den zurückkehrenden Besatzungsmitgliedern des Expeditionsschiffes, sondern auch den Lesern Rätsel aufgibt. In nur 50 Jahren, in der die Eklipse im Weltraum unterwegs war, sollen sich Kontinente verschoben, neue Meere gebildet und die Zivilisation markant verändert haben? Kann das sein, sind sie etwa in einem Parallel-Universum herausgekommen, oder hat die Zeit verrückt gespielt?

Geschickt nutzt der Autor diese Fragen um uns, zunächst ein wenig an Alien erinnernd, von der Bedrohung durch das Spike zu berichten, dann auf der Suche nach Erkenntnissen und mit der Jagd nach der Biowaffen, auf die Erde zu entführen. Hier malt er große, beeindruckende Bilder einer Umwelt, die sich markant geändert hat. Sowohl aus Sicht der „Einheimischen“, als auch der Crew der Eklipse bekommen wir nach und nach einen Eindruck von dieser so ganz anderen Welt. Hier hat der Autor jede Menge faszinierender Rätsel eingebaut.

Was führte zur Veränderung, was bedeuten die Tore, wie funktioniert das Reisen, wie kam es zu den gesellschaftlichen Ausprägungen, wie zu den auftretenden Zeitanomalien   – Fragen, die sich auch unsere Crew stellt. Daneben geht es in beiden Jagden – zum Einen hetzt die Crew das Spike, zum Anderen wird Rebecca weiterhin mitleidlos verfolgt – temporeich und packend zu. Ständige Wechsel in der Erzählperspektive führen dazu, dass wir diese Welt aus unterschiedlichsten Blickwinkeln kennenlernen.

Wer also erwartet hat, dass der Autor der uns so großartig von Alienzivilisationen, riesigen, unerklärlichen Raumschiffen und Reichen berichtet hat, erneut in die Weiten des Alls entführt, sieht sich getäuscht. Allein, die Rückbesinnung auf die Erde, die geschilderten Veränderungen und Bedrohungen bieten mindestens genauso faszinierendes Lesefutter, wie die intergalaktischen Reiche.

Andreas Brandhorst: Eklipse.
Piper, Juni 2019.
496 Seiten, Taschenbuch, 15,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.

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