Anders de la Motte: Spätsommermord

Der 1971 im südschwedischen Billesholm geborene Autor durchlief eine Ausbildung zum Polizisten in Stockholm. Als solcher arbeitete er einige Jahre im Staatsdienst, um später als Security privatwirtschaftlich zu arbeiten. Schon während seiner Zeit als Ordnungshüter entdeckte er seine Fähigkeit, Geschichten spannend zu erzählen. Seine beruflichen Erfahrungen kamen ihm dabei zugute. Auch darum konnte der Autor recht schnell die Herzen der schwedischen Leser und Leserinnen erobern. 2010 erhielt er für sein Krimidebut „Game“ den Preis der schwedischen Akademie für Krimiautoren. Weitere Preise folgten. Anders de la Motte ist seiner Heimat in Schonen treu geblieben und lebt mit seiner Familie in der Nähe von Malmö. So ergeht es auch seiner Protagonistin in seinem neuen Titel „Spätsommer Mord“. Kommissarin Anna Vesper verlässt Stockholm und zieht mit ihrer Tochter Agnes in die tiefste Provinz Schonens. Doch die Gründe hierfür sind grundverschieden. Für den Autor war es eine Bewegung zurück zu den Wurzeln. Für Anna Vesper war es eine Flucht vor unbewältigter Vergangenheit.

Eine Kommissarin, die sich stotternd mit einem Sprachfehler herumschlägt ist mir neu, macht sie aber menschlich. Das Anna Vesper aber unter dem Verdacht steht, aktive Sterbehilfe an ihrem krebskranken Mann geleistet zu haben, macht sie nicht weniger menschlich. Mit ihrer Flucht nach Schonen versucht sie, dem staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren zu entgehen. Dies lässt mich jedoch an ihrer polizeilichen Integrität zweifeln. Glaubt sie wirklich, durch eine Bewerbung auf den Posten einer leitenden Kommissarin in einer Kleinstadt Südschwedens, ihrer Geschichte mit Hakan zu entgehen? Mit dieser Frage im Hinterkopf hat mir die Lektüre der ersten hundert Seiten des Plots Mühe gemacht. Zumal die recht häufigen Wechsel zwischen den beiden Handlungssträngen von Vergangenheit und Gegenwart nicht immer leicht zu verfolgen waren. Dies wurde jedoch mit einer gewissen Gewöhnung leichter. Doch wer sich von anfänglichen Zweifel und den Wirren der schnellen Zeitenwechsel nicht abschrecken lässt, wird mit einer spannenden Geschichte belohnt. Worum geht es?

Der Start ins Leben endet manchmal tötlich. So ist es Simon Vidje im Jahr 1990 ergangen. Er und seine vier Freunde hatten ihr Abitur in der Tasche und standen vor einem neuen Lebensabschnitt. So trafen sie sich am Ende des Sommers zu einer Kombination aus Abi- und Abschiedsfeier an „ihrer“ Badestelle, einem See in einem stillgelegten Steinbruch auf einem Höhenzug Schonens.

Die Jugendlichen feiern das Leben und die Zukunft und müssen nächsten morgen einen von ihnen, Simon Vidje, tot aus dem Wasser ziehen. Natürlich sitzt der Schock tief. Die Polizei ermittelt einen tragischen Badeunfall als Todesursache und stellt die Ermittlungen ein. Simons Mutter aber glaubt an Mord.

27 Jahre später, im Herbst 2017 zieht Kommissarin Anne Vesper nach Nedanäs, wo sie die Leitung der dortigen Polizeiwache übernimmt. Bei ihren Kollegen ist die Großstädterin nicht sehr willkommen. Im Ort wird sie skeptisch beäugt. Als sich Anne dann auch noch für Simons Tod vor 27 Jahren interessiert, gerät Anne in die Fänge lokaler Beziehungsgeflechte und Seilschaften. Der Druck auf die Ermittlerin steigert sich, als eine ermordete männliche Leiche gefunden wird. Vier Probleme machen das Leben der Polizistin schwer: Ihre eigene Geschichte mit ihrem Mann. Ihr Verhältnis zur pubertätsgeschüttelten Tochter Agnes, der sie den wahren Grund ihres Umzugs verschwiegen hat. Der Tod von Simon Vidje damals und der aktuelle Mord an Joakim Jonsson. Kann Anna Vesper dem Druck, der auf ihrer Person lastet, standhalten? Anders de la Motte erspart seiner Kommissarin nichts. Sie muss um ihr eigenes und sogar um das Leben ihrer Tochter kämpfen. Dabei wird der Lesende in eine Welt dunkler Geheimnisse und Verwicklungen geführt. Es bleibt spannend bis zum Schluss. Kleine Einschränkungen stellen die Phasen polizeilicher Ermittlungsarbeit dar. Sie wirken manchmal etwas langatmig. Die Spannungsstärken des Plots sind zweifellos seine „Actionphasen. Annes Tochter Agnes bleibt eher im Hintergrund und hätte mehr Anteil am Geschehen verdient. Die imaginären Gespräche Annas mit ihrem verstorbenen Ex-Mann (im Text kursiv abgesetzt) Empfinde ich als gelungener Versuch, persönliche Schwächen der Protagonistin zu bearbeiten. Atmosphärisch ergibt sich ein dichtes und ein stimmiges Gesamtbild. Der Schreibstil und die Spraches des Autors sind eingängig und bildhaft. Hier und dort steigert er die Spannung durch unvorhersehbare Wendungen. Die Frage jedoch, wie es mit seiner Protagonistin weiter geht, lässt er offen.

Für mich als Schwedenfan ist „Spätsommer Mord“ ein gelungener Krimi, dem ich eine Leseempfehlung mit kleinen Einschränkungen gebe!

Anders de la Motte: Spätsommermord.
Droemer, März 2019.
528 Seiten, Taschenbuch, 14,99 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Martin Simon.

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