Amélie Nothomb: Ambivalenz

Dominique lernt Claude auf der Terrasse ihres Lieblingscafés kennen. Er spricht sie an und lädt sie auf eine Flasche Champagner ein. Sie ist verunsichert und misstrauisch, als er ihr versichert, sie sei die Frau, nach der er schon immer gesucht habe. Ihr Misstrauen bleibt, ihre Eltern hingegen sind verzückt über den charmanten jungen Mann mit besten Manieren, der sich zudem als erfolgreicher Firmengründer vorstellt. Schließlich willigt sie gegen ihr Bauchgefühl in die Verbindung ein.

Das junge Paar zieht nach Paris. Dort entwickeln sich Claude Geschäfte prächtig und doch will sich das Eheglück nicht so recht einstellen. Claude erweist sich als launisch und unberechenbar. Nach der Geburt des ersehnten Kindes bleibt sein Verhalten rätselhaft.

Am Ende schließt sich der Bogen in mehrfach überraschender Weise, aber das wird hier nicht verraten.

Der Roman umfasst die Geschichte der Beziehung der beiden über einen Zeitraum von nahezu dreißig Jahren. Er wird vornehmlich aus der Perspektive von Dominique erzählt, in Teilen aber auch aus der der Sicht der Tochter. Amélie Nothomb gelingt es dabei, jeder Erzählstimme ihren eigenen Charakter zu verleihen. Die Stimme der Mutter wechselt zwischen Verwunderung, Sorge und Euphorie, die der Tochter klingt abgeklärt und resigniert. Jede reflektiert aus ihrer Position das seltsame beziehungsweise feindselige Verhalten des Vaters, jede entwickelt ihre eigenen Bewältigungsstrategie. Im Fall der Mutter dringt immer wieder ein allwissender Erzähler an die Oberfläche und umreißt mit beiläufig eingestreuten Wertungen das Toxische der Beziehung.

Obwohl die Autorin von Anfang an mit offenen Karten spielt, wird das Ausmaß der Verblendung, mit dem Claude seinen Plan ausführt und dabei Frau und Tochter wie Schachfiguren benutzt, erst am Ende deutlich. Der auf das Wesentliche reduzierte Erzählstil macht, dass ich die Hinweise zwar wahrnehme, aber das Puzzle nicht zusammensetze.

Auch wenn die Dialoge an manchen Stellen etwas konstruiert wirken, habe ich mich beim Lesen dieser mit feiner Ironie erzählten Geschichte über Liebe, Freundschaft, Hass und Rache bestens unterhalten gefühlt.

Amélie Nothomb: Ambivalenz.
Aus dem Englischen übersetzt von Brigitte Große.
Diogenes, Juni 2022.
128 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Jana Jordan.

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