Alex Wheatle: Liccle Bit

Bits Chance, abzurutschen, sieht gar nicht mal so schlecht aus. Trotz seines Zeichentalents und den guten Freunden. Denn sein Vater lebt bei der neuen Familie und hat für ihn seit Jahren keine Zeit mehr. Seine Mutter ebenso. Ständig muss sie für kleines Geld Doppelschichten arbeiten. Auch Elaine, seine große Schwester, die früher immer für Bit da war, weiß gerade nicht, wie es mit ihr weiter gehen soll. Vor etwa zwei Jahren hat sie sich von Manjaro, dem Chef der Gang in South Crongton schwängern lassen. Wie soll sie allein ein Studium organisieren, wenn ihr kleiner Sohn Jerome keine Betreuung hat? In Bits Ohren scheint die häusliche Stimmung nur noch aus Schimpfen und Schreien zu bestehen.

Zur gleichen Zeit ködert Manjaro Bit mit Geld und kleinen Aufträgen. Einer besteht aus dem Transport eines Päckchens. Kurz darauf wird ein Mitglied der North Crongton Gang erschossen. Bits bester Freund McKay sieht zwischen dem Päckchen und dem Toten einen Zusammenhang. Und dann stirbt wieder ein Junge, dieses Mal aus Manjaros Gang. Bit und seine Freunde sehen das sechzehnjährige Opfer erstochen vor einem Laden liegen. Die Polizei will unbedingt das Ausbrechen eines neuen Bandenkrieges verhindern. Sie macht Razzien und zeigt auch in Bits Viertel Präsenz. Natürlich braucht gerade jetzt Manjaro den unauffälligen Bit für seine Rachefeldzüge. Aber Bit will etwas anderes. Er liebt Venetia, das schönste Mädchen in der Schule, und darüber hinaus wurden gerade seine Zeichnungen für eine Ausstellung ausgewählt.

Alex Wheatle wurde 1963 in Brixton geboren und schrieb anfangs Romane für Erwachsene. Liccle Bit ist sein erster Jugendroman und gilt jetzt schon als Klassiker, weil er sehr unterhaltsam die Kindheit und Jugend ohne Vorbilder thematisiert. Der Verlust wichtiger Bezugspersonen hat Folgen. Was wird aus einer Generation, die scheinbar sich selbst überlassen wird? Ob die Zielgerade Gefängnis oder Erfolg im Beruf sein wird, entscheiden die Umstände. Manchmal gibt es keine Wahl, weil bereits andere für einen entschieden haben.

Wie Bit seine zahlreichen Ängste verarbeitet, dürfte beispielhaft sein. Der starke Charakter des Ich-Erzählers nimmt den Leser mit auf eine turbulente Reise und lässt ihn teilhaben am Gefühlschaos aus Angst und Glück, ohne die Dramatik in der Familie aus den Augen zu verlieren. Manches lässt sich nur mit einer Portion schwarzem Humor ertragen. Dies geht leichter dank der lockeren Sprache des Erzählers. Sie wirkt frisch und überdreht, so dass auch die eine oder andere Situationskomik zustande kommt:

„… Sein Mountainbike kam quietschend vor mir zum Stehen. ‚Kleiner‘, grüßte er mich.

„,Was geht, Manjaro?‘ Ich versuchte, cooler und älter zu klingen, als ich war, aber mein Herz pumpte wie das eines Pudels, kurz bevor ihn der Tiger zerfleischt.“ (S. 19/20)

Herz und Schmerz liegen in diesem gelungenen Jugendroman dicht beieinander.

Alex Wheatle: Liccle Bit. Der Kleine aus Crongton.
Verlag Antje Kunstmann, März 2018.
256 Seiten, Taschenbuch, 18,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

 

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