A. M. Homes: Deine Mutter war ein Fisch

In der amerikanischen Literatur genießen Short Stories – ganz anders als in Europa, einen hohen Stellenwert. Kurzgeschichtenbände schaffen es in den USA nicht selten sogar in die Bestsellerlisten.

A. M. Homes gilt als Meisterin von Short Stories. In ihrer Danksagung auf der letzten Seite dieses Buches erfährt man, dass die darin gedruckten Geschichten über einen sehr langen Zeitraum hinweg entstanden sind.

Zwölf kurze Geschichten sind es, in denen die Autorin ihren Blick auf das heutige Amerika fokussiert. Manches davon mag man als leicht überzeichnet empfinden, vielleicht ist es aber lediglich  „typisch amerikanisch“.  – Letztlich sind die Darstellungen um so treffender auf den Punkt gebracht. A. M. Homes‘ Blick durchdringt die Oberfläche und ist oft so komisch und skurril wie die Buchtitel gebende Story „Deine Mutter war ein Fisch“. Darin geht es um eine Urgroßmutter, die sich selbst ein Meerjungfrauenkostüm genäht hat und nach Amerika geschwommen ist: Sie stichelt eine Geschichte, näht eine Erzählung, Naht für Naht (eBook S. 201).

A. M. Homes beweist einen Spürsinn für Kuriositäten und greift genau diese in ihren Geschichten auf. So zum Beispiel die Menschen in einem Wellensittichforum, die durchaus elementare Themen behandeln, sich dann aber wieder Banalem zuwenden, was jedoch als höchst wichtig erachtet wird. So unterhalten sie sich beispielsweise über einen Vogel, der sein Futter versteckt und machen sich hierüber lange Gedanken. In einer weiteren Geschichte geht es um einen Arzt, der unter anderem Gaumenspalten operiert und Besenreiser an den Beinen lasert, über Hauterneuerungen im Gesicht nachdenkt und sich dabei manchmal wie ein Restaurator fühlt. Oder es geht um einen Familienvater, der während eines Einkaufs mit Frau und Kindern von den anderen Kunden zum Präsidenten vorgeschlagen wird.

Man mag es oft kaum glauben, über was man hier liest und doch verfestigt sich am Ende eine Ahnung, dass die Wahrheit letztlich gar nicht weit entfernt ist.

A. M. Homes Geschichten sind ungewöhnlich und sie heben das vermeintlich Unwesentliche hervor. Die kleinen Dinge werden zu ganz großen, die manchmal das Wesentliche des Lebens ausmachen. Die Autorin entwirrt die Knoten, in denen ihre Geschichten verpackt sind, bis die Charaktere ihrer Figuren offenliegen.

Die deutsche Übersetzung stammt von Ingo Herzke.

A. M. Homes erhielt unter anderem 1993 den Deutschen Jugendliteraturpreis für ihren Roman „Jack“ und 2013 den Women’s Prize for Fiction für Auf dass uns vergeben werde.

A. M. Homes: Deine Mutter war ein Fisch.
Kiepenheuer&Witsch, April 2020.
368 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.

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